Anke Blacha, Lichtblick
Anke Blacha vom Energieversorger Lichtblick erklärt, wie die Energiewende und der eigene Beitrag zum Klimaschutz aussehen könnte.
Die deutsche Energiewende war eigentlich auf einem guten Weg. Inzwischen stagniert die Klimapolitik hierzulande und die Energieerzeugung aus fossilen Quellen findet dank Fake-News und erfolgreicher Lobbyarbeit der Kohle- und Atomindustrie wieder mehr Mitstreiter. Dieser Entwicklung stellt sich die renommierte Wissenschaftlerin für Energie- und Klimaökonomie, Claudia Kemfert, entgegen. Im Interview erklärt sie, was Verbraucher tun können, um die Energiewende zu unterstützen.
Claudia Kemfert: Es können vor allem diejenigen nicht an einem Strang Richtung Klima-Zukunft ziehen, die mit konventioneller Energie ihr Geld verdienen. Je erfolgreicher die erneuerbaren Energien auf dem Markt sind, desto schlechter laufen die Geschäfte mit den fossilen Energien. Für die Industrie ist deswegen eine erfolgreiche Energiewende kein Grund zur Freude. Sie könnten die herkömmlichen Geschäftsmodelle hinterfragen und frühzeitig in Richtung Zukunft ausrichten. Doch leider passiert das Gegenteil: Das fossile Imperium schlägt zurück. Und zwar mit aller Kraft. Die Energiewende gerät ins Straucheln.
Claudia Kemfert: Absolut. Es tobt ein regelrechter Kampf um Strom, der unsere Zukunft beeinträchtigt. Die erneuerbaren Energien sind erfolgreich aus der Nische getreten. Die konventionellen Energievertreter wollen aber mit ihren alten Geschäftsmodellen noch möglichst lange Geld verdienen. Solange wir noch alte Kraftwerke betreiben und damit Überkapazitäten produzieren, rechnen sich die Neuen nicht. Das liegt auch daran, dass konventionelle Kraftwerke die Leitungen auslasten. Würden wir alle Atom- und Kohlekraftwerke herunterfahren, wären ausreichend Leitungen vorhanden, um den sauberen Strom in der gesamten Republik zu verteilen. Nach unseren Untersuchungen ist es sogar noch schräger: Je mehr Leitungen gebaut werden, desto mehr konventionellen Strom lässt Deutschland ins Netz. Absurd!
Claudia Kemfert: Das „fossile Imperium“ besteht aus Unternehmen, denen die Energiewende mehr Nach- als Vorteile bringt. Sie ziehen nicht mit Panzern und Soldaten in die Schlacht, sondern mit Propaganda und Fake News. Mit dem Buch appelliere ich an Bürger und Verbraucher, nicht allem, was behauptet wird, Glauben zu schenken – und die lautstark vorgetragenen Pseudo-Argumente kritisch zu hinterfragen. Statt Geld in die Zukunft zu investieren, werden unnötige Netze ausgebaut, um überschüssigen Kohlestrom durch die Lande zu transportieren. Das sind taktische Manöver, mit denen die fossilen Imperien den überraschend großen Erfolg der Energiewende schmälern wollen. Ich möchte, dass die Menschen verstehen: Die Energiewende ist ein Frieden und Wohlstand stiftendes Zukunftsprojekt, das wir weltweit, aber auch hierzulande verteidigen müssen – und zwar jetzt!
Claudia Kemfert: Glauben können und sollten die Menschen der unabhängigen Wissenschaft. Manche Kampagnen geben sich einen pseudo-wissenschaftlichen Anstrich, treten als Institute auf, die aber in Wahrheit zu hundert Prozent von fossilen Imperien finanziert werden. Ich gebe zu, es ist nicht leicht, dieses professionelle Verwirrspiel zu durchschauen. Auf Ihre klare Frage, ob es fossile Energien als Backup für eine stabile Stromversorgung braucht, gibt es eine klare Antwort: Nein! Derzeit produzieren wir einen großen Überschuss an Strom und verramschen ihn an der Börse. Wir könnten schon heute alle restlichen Atomkraftwerke abschalten, ohne dass die Lichter ausgehen. Auch die Kohlekraftwerke können wir auslaufen lassen und auf die Gaskraftwerke mittel- bis langfristig komplett verzichten. Mit den erneuerbaren Energien sind wir in der Lage, die Grundlast zu tragen. Fossile Energien werden überflüssig.
Claudia Kemfert: Es ist ein großes Rätsel, warum die Politik den notwendigen Kohleausstieg nicht beherzt angeht. Vermutlich sind einfach die Lobbyisten der Vergangenheit stärker als die Lobbyisten der Zukunft. Theoretisch ist es beschlossen: Spätestens 2040 sollte das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Immerhin plant die Politik in der kommenden Legislaturperiode eine Kohlekommission einzusetzen, die einen Fahrplan für den Kohleausstieg festzurren soll. Sie kann vielleicht wirklich mit kluger politischer Unterstützung sozialverträgliche Lösungen für die bedrohten Kohle-Arbeitsplätze finden, wobei die erneuerbaren Energien längst mehr Arbeitsplätze geschaffen haben, als in den alten Energien verloren gegangen sind.
Claudia Kemfert:Im Grunde stehen alle Parteien – mit einer Ausnahme – hinter der Energiewende: Nur die AfD will explizit keine Energiewende, sondern setzt voll auf Atom und Kohle. Trotzdem: Echte Unterstützer muss man leider mit der Lupe suchen, denn die raffiniert gestrickten Fake News des fossilen Imperiums werden selbst von Befürwortern der Energiewende geglaubt.
Claudia Kemfert: Verbraucher sollten nicht auf blumige Werbebotschaften reagieren, sondern sich gründlich informieren. Beispielsweise geben Verbraucherzentralen umfassende Informationen. Es gibt zahlreiche Anbieter, die den Strom in der Region aus erneuerbaren Energien gewinnen.
Claudia Kemfert: Dass Ökostrom teuer ist, ist ein Mythos. Ökostrom ist oftmals sogar billiger als herkömmlicher. Wenn man den Strom selbst produziert, wird er sogar noch billiger. Auch Mieter haben über die Mieterstrommodelle bald die Möglichkeit, eigenen Ökostrom zu produzieren. Ökostrom wird so für alle zugänglich. Ohnehin kann sich jeder problemlos klimabewusst verhalten, indem man gezielt Energie einspart, regionale Produkte kauft oder sich mit dem Fahrrad oder Bus und Bahn bewegt. Das schont nicht nur das Klima, sondern meist auch das Portemonnaie.
CHECK24: Erst „Kampf um Strom“, dann „Das fossile Imperium schlägt zurück“. Beide klingen wie eine Anlehnung an die Episoden Vier und Fünf der berühmten Star Wars-Saga. Könnte der Titel Ihres nächsten Buches eventuell „Die Rückkehr der Klimaretter“ heißen, in dem der Klimaschutz sich durchsetzt und die Erderwärmung erfolgreich verlangsamt wird?
Claudia Kemfert: Das wäre schön! Wenn es in den nächsten Jahren gelingt, den Klimaschutz wieder nach oben auf die politische Agenda zu rücken und die Energiewende erfolgreich zu verteidigen, dann wäre ein solches Buch keine Science Fiction, sondern Science Facts!