089 - 24 24 12 74 Hilfe und Kontakt
Ihre persönliche Versicherungsberatung
089 - 24 24 12 74

Montag - Freitag von 8:00 - 20:00 Uhr

 

Gerne kontaktieren Sie uns per E-Mail:
krankenkassen@check24.de

Jetzt Punkteteilnehmer werden: 5 € sichern
Ihr Browser wird nicht mehr unterstützt.
Damit Sie auch weiterhin schnell und sicher auf CHECK24 vergleichen
können, empfehlen wir Ihnen einen der folgenden Browser zu nutzen.
Trotzdem fortfahren
Sie sind hier:

Europäische Impfwoche: Warum eine Masern-Impfpflicht alleine keine gute Idee ist

München, 26.4.2019 | 16:55 | mst

 

Arzt füllt einen Impfpass aus.Impfungen werden nur im Impfpass dokumentiert. Ein zentrales Impfregister gibt es in Deutschland derzeit nicht.

Die Politik diskutiert derzeit über eine Impfpflicht für Masern: Ist eine solche verpflichtende Impfung sinnvoll? Warum gehen Menschen nicht zu Impfungen? Und wie kann man erreichen, dass sich mehr Menschen gegen gefährliche Infektionskrankheiten impfen lassen?

Wir haben zur Europäischen Impfwoche die Psychologin Cornelia Betsch befragt.

CHECK24: In Deutschland ist es in der letzten Zeit immer wieder zu lokalen Masernausbrüchen gekommen. Die Politik diskutiert eine gesetzliche Impfpflicht, auch der Präsident der Ärztekammer hat sich dafür ausgesprochen. Was halten Sie von einer solchen Impfpflicht, Frau Betsch?

Cornelia Betsch: Im Moment wird vor allem über eine teilweise Impfpflicht gesprochen. Die Idee ist, die Masern-Impfung verpflichtend zu machen und alle anderen Impfungen freiwillig zu lassen. Studien zeigen allerdings, dass das keine so gute Idee ist, denn es bleiben ja auch noch Impfungen freiwillig und das kann dazu führen, dass diese freiwilligen Impfungen dann weniger häufig wahrgenommen werden – insbesondere durch Menschen, die vielleicht ein bisschen skeptischer sind.
 
Insbesondere auch aus ärztlicher Sicht finde ich das einen kurzsichtigen Vorstoß. Über Masern-Impfungen wird man dann wahrscheinlich nicht mehr reden müssen. Aber das Problem wird sich für alle anderen Impfungen, die freiwillig bleiben, natürlich nicht lösen. Die Ärzte müssen dann viel Aufwand betreiben um klarzumachen, dass die anderen Impfungen auch wichtig sind, obwohl sie nicht verpflichtend sind. Und die Erwachsenen, die auch zu wenig geimpft und von Ausbrüchen betroffen sind, erreichen wir damit nicht.

CHECK24: Vor allem im Internet kursieren viele Falschinformationen über das Impfen und angebliche hohe Risiken. Wie kann man solchen fehlerhaften Informationen am besten begegnen?

Betsch: Zuerst einmal muss man dafür sorgen, dass gute Information leicht auffindbar ist. Es gibt ein sehr gutes Angebot von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.impfen-info.de. In der Zielgruppe der Eltern ist diese Seite aber kaum bekannt.

Auch vom befragten medizinischen Personal kannte kaum jemand die Seite. Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.

Wichtig ist auch, falsche Informationen zu korrigieren. Zum Beispiel gibt es vom Robert-Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-Institut eine Widerlegung der 20 häufigsten – falschen – Einwände gegen das Impfen.

CHECK24: Wenn man sich die Situation in Deutschland ansieht, kann man sagen, dass die Impfskepsis in Deutschland besonders ausgeprägt ist?

Betsch: Wir sehen in den Befragungen der Gesundheitszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dass überhaupt nur zwischen zwei und fünf Prozent Impfungen ablehnen. Das sind also sehr wenige, aber sie sind gut vernetzt und lautstark und wirken so etwas größer.

CHECK24: Gibt es bestimmte Bevölkerungsgruppen, die dem Impfen besonders kritisch gegenüberstehen? Oder zieht sich dies durch sämtliche sozialen Schichten?

Betsch: Das zieht sich durch sämtliche sozialen Schichten. Aber, wie gesagt, die Gruppe der wirklichen Gegner ist sehr klein.

CHECK24: Sie schreiben in einem Artikel, die Medien trügen mit ihrem Prinzip, jeweils „Pro“ und „Contra“ darzustellen, dazu bei, dass Meinungen der Impfgegner einen so großen Raum einnehmen. Wie genau ist das zu verstehen?

Betsch: Es handelt sich hier um das Phänomen der „false balance“. Als Zuschauer sehe ich in einer Talkshow zum Beispiel, dass einer für das Impfen und einer gegen Impfen eingeladen ist. Und das suggeriert eine 50:50-Verteilung der Meinungen.

Dies stimmt so aber nicht. Zirka 97 Prozent der Schulanfänger sind mindestens einmal gegen Masern geimpft. Auch bei Experten ist die ganz überwiegende Mehrheit für Impfen. Die Verteilung der Meinungen ist also eine ganz andere als mir hier vorgegaukelt wird. Und Studien haben gezeigt, dass eine solche falsch balancierte Darstellung die Menschen verunsichert.

CHECK24: Den Medien wäre dann zu empfehlen, gar nicht so häufig solche Impfskeptiker einzuladen, oder?

Betsch: Es ist halt das Prinzip des Journalismus, balanciert zu berichten: einer ist dafür und einer dagegen, der Konsument soll sich seine Meinung selber bilden. Aber es geht hier nicht um eine Balancierung von Meinungen, sondern es geht hier um eine Balancierung von Evidenz.

Diese Balancierung nimmt die Ständige Impfkommission vor, bevor sie eine Empfehlung rausgibt. Was sind die Risiken, was ist der Nutzen? Das ist ein sehr komplexer und langwieriger Prozess und hat nichts mit Meinung zu tun – sondern mit Evidenz.

CHECK24: Bei medizinischem Personal wie Ärzten oder Pflegern würde man davon ausgehen, dass Impfskepsis kein Thema ist. Ist dem wirklich so?

Betsch: Ärzte und Pflegepersonal sind natürlich genauso Menschen. Fragen und Zweifel finden sich da genauso. Ärzte zum Beispiel, die nicht vollkommen alle Impfungen weiterempfehlen würden, gestalten die Impfpraxis in ihrem Alltag anders. Das wirkt sich darauf aus, ob sie etwa extra Impfsprechstunden anbieten.

CHECK24: Impfen muss einfacher werden, fordern Sie. Wie lässt sich das in der Praxis umsetzen? Was lässt sich da verbessern?

Betsch: Vielleicht kann man erst mal sagen, warum sollte es einfacher werden? Ein wichtiger Grund sind auch in Deutschland praktische Barrieren. Und solche praktischen Barrieren sollten dringend abgebaut werden, bevor man über eine Impfpflicht nachdenkt. Zum Beispiel sollte man überlegen, ob man den öffentlichen Gesundheitsdienst wieder stärkt. Also Impfen dort wieder stattfinden lässt, wo die Menschen sind, vielleicht in Apotheken, in Schulen, in Kindergärten oder auch am Arbeitsplatz.

Wir haben auch kein zentrales Impfregister, wo drinsteht, wogegen ich geimpft bin. Wenn ich meinen Impfpass verliere, weiß kein Mensch, wogegen ich eigentlich geimpft bin. Und ich werde auch nicht automatisch erinnert an die nächste fällige Impfung. Das sind alles sehr einfache Maßnahmen.

Dass man als Eltern beim Kinderarzt geimpft werden kann, das ist auch nicht überall möglich. Solche Dinge würden das Impfen einfacher machen und sind daher vielversprechende Interventionen.

CHECK24: Sie haben gesagt, Impfskepsis wäre ein Grund, sich nicht impfen zu lassen. Was sind denn die vier anderen Gründe, die dem Impfen entgegenstehen?

Betsch: Neben dem Vertrauen in die Impfung ist die Risiko-Wahrnehmung ein wichtiger Faktor: halte ich die Krankheiten für so gefährlich, dass ich mich schützen will? Dann haben wir die praktischen Barrieren, über die wir gerade gesprochen haben.

Das Vierte wäre das Verantwortungsfühl für die Gesellschaft: Weiß ich, dass Impfen auch andere schützt, weil ich Krankheiten nicht mehr übertragen kann? Und ist es überhaupt ein relevanter Faktor für mich?

Und das Letzte ist die Informationssuche. Manche neigen zur übermäßigen Informationssuche und das kann dann dazu führen, dass sie so viel gefunden haben, was dafür und was dagegen spricht, dass sie am Ende gar nicht mehr wissen, wem sie vertrauen sollen und dann entscheiden sie gar nicht mehr. Und wer nicht entscheidet, der impft auch nicht.

Diese Gründe sind alle mal mehr, mal weniger relevant – je nach Impfung oder auch je nach Land. In Deutschland spielt für die Frage, ob man schon einmal eine Impfung ausgelassen hat, vor allem das Vertrauen in die Impfung und die praktischen Barrieren eine wesentliche Rolle.

 
Cornelia Betsch
Cornelia Betsch ist Professorin an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt und lehrt Gesundheitskommunikation. Als Psychologin forscht sie unter anderem zur Risikowahrnehmung und Entscheidungsfindung beim Impfen. (Foto: Cornelia Betsch)

Weitere Nachrichten zum Thema Gesetzliche Krankenversicherung