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Wie lang bleiben die Zinsen für Privatkredite noch so niedrig? Längst wird darüber rege spekuliert, obwohl die Europäische Zentralbank bisher keine Anhebung der Leitzinsen in Aussicht stellt.
Dieses Jahr dürften die Zinsen weiterhin niedrig bleiben, doch schon im nächsten Jahr könnte sich das ändern.
Des einen Leid ist des anderen Freud – während Sparer unter niedrigen Zinsen leiden, freuen sich Kreditnehmer über günstige Kredite. Doch wie lange wird das Zinstief noch anhalten? Niedrige Zinsen sind weder gottgegeben, noch handelt es sich dabei um ein natürliches Phänomen. Sie sind ein Mittel, mit dem die Europäische Zentralbank (EZB) die wirtschaftliche Erholung der Eurozone unterstützen will. Günstige Kredite sollen den Konsum und Investitionen von Unternehmen anfachen und damit die Wirtschaft in Schwung bringen. Steigende Preise sind dafür ein wichtiger Indikator. Die EZB hat ein Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent formuliert. Verfestigt sich der wirtschaftliche Aufschwung und pendelt sich die Inflationsrate dauerhaft nahe der Zielmarke ein, gibt es für die obersten europäischen Währungshüter keinen Grund mehr, die konjunkturelle Entwicklung künstlich anzukurbeln. Die EZB sähe sich in dem Fall dazu gezwungen, den Leitzins, also den Zins, zu dem sich Banken bei der EZB Geld leihen, wieder anzuheben. Diese Kosten würden Banken an Kreditnehmer in Form von höheren Zinsen weiterreichen. Obwohl EZB-Ratspräsident Mario Draghi bisher nicht erkennen lässt, dass er den Leitzins in nächster Zeit anheben wird, ist längst eine Diskussion darüber entbrannt, wann dieser Moment kommt. In der Tat gibt es bereits mehrere Anzeichen dafür.
1. Die Konjunktur zieht an
Dass die niedrigen Zinsen der EZB wirken und den Konsum ankurbeln, ist daran erkennbar, dass Banken mehr Kredite vergeben. Nach Angaben der Zentralbank hat die Zahl der vergebenen Kredite sowohl an Unternehmen als auch an Privathaushalte im April im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 Prozent zugelegt. Die wirtschaftliche Erholung gewinnt ebenfalls an Fahrt. Im ersten Quartal dieses Jahres ist die Wirtschaft in der Eurozone im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres stärker gewachsen. Und die Inflation im Euro-Währungsgebiet kratzte im April mit 1,9 Prozent am Inflationsziel der EZB. Viele Gründe, die gegen eine Anhebung des Leitzinses durch die EZB in absehbarer Zukunft sprechen, gibt es nicht mehr.
2. EZB-Mitglieder plädieren für eine geldpolitische Wende
Mit Blick auf die nächste EZB-Sitzung am 8. Juni in Tallin haben mehrere EZB-Mitglieder signalisiert, dass der Zeitpunkt gekommen ist, den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik einzuleiten. Ardo Hansson, EZB-Ratsmitglied und Chef der Notenbank von Estland, sagte gegenüber der estnischen Tageszeitung Postimees laut Handelsblatt: „Die Frage ist nun, wie schnell die von der Zentralbank angebotene Unterstützung für die Konjunktur verringert werden kann, so dass eine positive Wirtschaftsentwicklung bewahrt bleibt“. Ähnlich äußerte sich auch Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank und ebenfalls EZB-Ratsmitglied, vergangene Woche in Berlin: „Es ist durchaus legitim zu fragen, wann der EZB-Rat eine geldpolitische Normalisierung in den Blick nehmen sollte.“ Auch EZB-Direktor Yves Mersch heizte die Spekulationen um eine geldpolitische Wende an: „Der Fokus beginnt sich in Richtung einer Normalisierung der Geldpolitik in der Zukunft zu verändern.“
EZB-Präsident Mario Draghi bewertet die wirtschaftliche Lage anders. In den letzten Ratssitzungen begründete der Italiener eine ausbleibende Kurskorrektur damit, dass die Kerninflation, die Inflation ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise, noch nicht ausreiche und der Anstieg der Inflation damit noch nicht nachhaltig genug sei. Deshalb sei ein außergewöhnliches Maß an geldpolitischer Unterstützung für ihn noch gerechtfertigt. Mit anderen Worten: Vorerst wird eine Zinserhöhung aus seiner Sicht ausbleiben.
3. Die Eurozone muss vor einer möglichen neuen Krise geschützt werden
Mit einem Leitzins von 0,0 Prozent und dem Ankauf von Staatsanleihen mit einem erwarteten Volumen von über zwei Billionen Euro hat die Zentralbank ihr Pulver bereits verschossen. Sollte es in naher Zukunft zu einer weiteren Wirtschaftskrise kommen, hat die EZB keine Asse mehr im Ärmel, mit denen sie auf die neue Krise reagieren könnte. Der Leitzins lässt sich nicht weiter senken, ohne dass die Banken in große Schwierigkeiten geraten. Denn Negativzinsen würden viele Sparer in die Flucht schlagen. Ein Ausstieg aus der derzeitigen expansiven Geldpolitik hätte also auch den Zweck, die Eurozone in der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Erholung schon für die nächste mögliche Krise zu wappnen.
Mario Draghi hat sich auf der letzten Pressekonferenz darauf festgelegt, dass die Zinsen nicht vor dem Ende des Anleihekaufprogramms angehoben werden. Dieses soll im Dezember dieses Jahres auslaufen. Allerdings wird die Zentralbank den Ankauf nicht schlagartig stoppen, sondern bis in das nächste Jahr hinein schrittweise drosseln. Der Leitzins könnte demnach frühestens 2018 angehoben werden.
4. Für gewöhnlich folgen die Europäer den Amerikanern
Im nächsten Jahr scheint eine Zinserhöhung eher wahrscheinlich. Zu diesem Zeitpunkt läge der Leitzins bereits seit zwei Jahren bei null Prozent. Die amerikanische Notenbank FED hat seit Dezember 2015 bereits drei Mal den Leitzins angehoben, im Juni steht dort ein weiterer Zinsentscheid an. Ließe sich die EZB bis Mitte oder gar Ende 2018 mit einer Zinserhöhung Zeit, läge sie damit fast drei Jahre hinter der FED zurück. Das ist insofern außergewöhnlich, als dass die Zinsen im Euroraum normalerweise nur mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung parallel zu den Zinsen in den USA von der EZB angehoben werden.
Zinsen für Kredite bleiben weiterhin günstig
Vieles spricht dafür, dass die EZB im Laufe des nächsten Jahres die Zinsen anheben wird. Das würde sich auch auf die Zinsen für Privatkredite auswirken. Noch befinden sich diese auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Bundesbank bezifferte den durchschnittlichen effektiven Jahreszins für Privatkredite der Deutschen Kreditinstitute im März auf 5,62 Prozent. Im Februar lag dieser noch bei 5,82 Prozent, im Januar bei 6,06 Prozent. Die Kurve zeigt noch nach unten. Wer also plant, in naher Zukunft einen Kredit aufzunehmen, sollte das nicht auf die lange Bank schieben. Unter Umständen wird Geldleihen für Kreditnehmer langfristig gesehen wieder teuer.
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