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Arbeitsgericht: Praktikantin soll 50.000 Euro Nachzahlung erhalten

München, 8.1.2016 | 11:29 | mtr

Mehr als fünf Jahre arbeitete eine junge Frau bei einem Finanzdienstleister und erhielt dafür einen monatlichen Bruttolohn von lediglich 300 Euro. Das Arbeitsgericht München entschied nun, dass die Vollzeitanstellung nicht rechtens war. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung wurde der Arbeitgeber nun zu einer Nachzahlung von knapp 50.000 Euro verurteilt.

Aufgeschlagenes Gesetzbuch sowie Richterhammer und Waage.Eine Praktikantin hatte für einen Stundenlohn von 1,75 Euro gearbeitet. Da das Beschäftigungsverhältnis dem Mindestlohngesetz widerspreche, wurde ihr eine Nachzahlung von 50.000 Euro zugesprochen.
Nach ihrem Realschulabschluss bewarb sich die damals 16-jährige Frau im September 2009 bei einem Münchner Versicherungs- und Finanzvermittler als Bürokraft. Dort wollte sie Berufserfahrung sammeln, um bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) die Prüfung zur Fachberaterin für Finanzdienstleistungen erfolgreich ablegen zu können.

Sie erhielt allerdings keine reguläre Festanstellung, sondern nur einen Praktikumsvertrag mit einer Wochenarbeitszeit von 43 Stunden. Anfallende Überstunden wurden nicht bezahlt. Neben der Pflege der Internetseite des Unternehmens und der Akquirierung von Kunden musste sich die junge Frau mit anderen Praktikanten zusammen regelmäßig um den Garten des Firmenchefs am Chiemsee kümmern.

In dem dortigen Anwesen wurde wöchentlich eine Fortbildung abgehalten. Im Herbst 2009 fiel die Praktikantin allerdings bei der IHK-Prüfung durch. Nachdem es wegen eines Urlaubsantrags zu einem Streit kam, kündigte die Frau im März 2015 und suchte sich rechtlichen Beistand.
 

Praktikantin steht Mindestlohn zu

Ihre Rechtsanwälte bewerteten den Fall als „moderne Sklaverei“ und reichten beim Arbeitsgericht Klage ein. Ihrer Ansicht nach handelte es sich bei dem Praktikum in Wirklichkeit um ein „verschleiertes Arbeitsverhältnis“, weshalb die Anstellung sittenwidrig gewesen sei.

Als Entschädigung verlangten sie nachträglich die übliche Vergütung für die Bürotätigkeit – rund 77.000 Euro. Die Firma wehrte sich gegen die Forderung und argumentierte, dass die Klägerin schlecht gearbeitet habe und jederzeit hätte kündigen können. Das Arbeitsgericht München entschied jedoch zu Gunsten der ehemaligen Praktikantin. Das Mindestlohngesetz sehe vor, dass ein Praktikum, das nicht von einer Hochschule vergeben werde, höchstens drei Monate dauern dürfe.

Nach diesem Zeitraum hätte die Praktikantin entweder gehen oder mit einem angemessenen Gehalt fest angestellt werden müssen. Die Richter sprachen ihr die Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro zu. Damit müsste der Arbeitgeber knapp 50.000 Euro nachzahlen. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

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